Deutschland gilt als eines der europäischen Schlusslichter, was die Anzahl der Organspenderinnen und Organspender betrifft. In anderen europäischen Ländern sieht die Situation deutlich besser aus. Dies liegt u.a. an unterschiedlichen Regelungen zur Organspende.
Regelungen zur Organspende in Europa – ein Überblick
Warum aber werden dort mehr Menschen nach ihrem Tod zu Organspendern? Die Antwort liegt unter anderem in der dortigen Regelung zur Organspende, die sich in einem wichtigen Punkt erheblich von der deutschen unterscheidet: In Spanien gilt die sogenannte Widerspruchsregelung. Sie besagt, dass jeder Mensch nach seinem Tod automatisch als Organspenderin oder Organspender infrage kommt, wenn er oder sie zu Lebzeiten nicht ausdrücklich aktiv erklärt hat, keine Organe spenden zu wollen. Diese Regelung ist in Europa am weitesten verbreitet und gilt in elf weiteren Ländern, unter anderem auch in Frankreich, Italien, Irland und Österreich. Die sogenannte erweiterte Widerspruchslösung, die unter anderem in Schweden, Finnland oder Kroatien gilt, räumt den Angehörigen von Verstorbenen das Recht ein, eine Organspende zu verhindern, selbst wenn der oder die Verstorbene zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen hat. Länder wie die Großbritannien, Dänemark, die Schweiz oder Litauen setzen hingegen auf die sogenannte Zustimmungslösung – hier müssen Verstorbene zu Lebzeiten der Organspende aktiv zugestimmt haben, damit ihre Organe im Todesfall entnommen werden können. Hat der oder die Verstorbene die Entscheidung für oder gegen die Organspende nicht dokumentiert, müssen die Angehörigen entscheiden, ob Organe gespendet werden – analog zur erweiterten Widerspruchslösung, die die Angehörigen mit einbezieht, spricht man daher hier von der erweiterten Zustimmungslösung.
Deutschland und Spanien
In Deutschland galt die erweiterte Zustimmungslösung bis 2012, bevor sie von der Entscheidungslösung abgelöst wurde. Diese Regelung sieht vor, dass Bürgerinnen und Bürger regelmäßig neutral über die Organspende aufgeklärt werden sollen, etwa von Krankenkassen. So sollen sie eine selbstbestimmte Entscheidung treffen und für die Nachwelt dokumentieren.
In Spanien regelt die Organización Nacional des Trasplantes (ONT), eine dem Gesundheitsministerium unterstellte Organisation, alle Angelegenheiten rund um die Organspende. Sie ist dafür zuständig, Organspenderinnen und Organspender zu identifizieren, die Angehörigen zu betreuen und den Prozess der Organspende zu koordinieren. Hierzu existieren in allen 17 Regionen Spaniens Koordinationsbüros, die zwischen der ONT, den lokalen Gesundheitsbehörden und den Entnahmekrankenhäusern vermittelt.
Zusammenarbeit beim Thema Organspende auf europäischer Ebene
In Deutschland koordiniert die Stiftung Eurotransplant alle Organtransplantationen – jedoch nicht nur für ein Land, sondern gleich für acht: Neben Deutschland gehören Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Österreich, Kroatien. Slowenien und Ungarn zum Eurotransplant-Verbund. Die Idee geht auf den niederländischen Immunologen Jon van Rood (1926-2017) zurück, der im Jahr 1968 das HLA(Humanes Leukozyten-Antigen)-System entdeckte – ein System genetischer Merkmale, das über den Erfolg von Transplantationen entscheidet. Stimmen die HLA-Merkmale von Organspender und –empfänger überein, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ein transplantiertes Organ vom Körper des Empfängers wieder abgestoßen wird.
Je mehr potenzielle Organspenderinnen und Organspender bereitstehen, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass für eine Person auf der Warteliste eine Spenderin oder ein Spender mit passenden HLA-Merkmalen gefunden werden kann. Jon van Rood hatte daher die Idee, Transplantationszentren aus mehreren Staaten zusammenarbeiten zu lassen, damit der Pool an potenziellen Spenderinnen und Spender für alle kooperierenden Staaten geöffnet wird. Bis heute konnte die Stiftung Eurotransplant mit Sitz im niederländischen Leiden. Der Eurotransplant-Verbund ist nicht der einzige seiner Art – so existiert mit Scandiatransplant eine ähnliche Organisation, die für die Organtransplantationen in Island, Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland zuständig ist. Die Organisation Balttransplant vermittelt Organtransplantationen in den baltischen Ländern Lettland, Estland und Litauen.